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Folgender Artikel erschien am 07.06.2015 bei » Schwarzwaelder-bote.de.

schwarzwaelder-bote | 07. Juni 2015


′Hier sitzen echte Fachleute′

Harald Eigler und Hartmut Gerst (stehend) freuten sich über die rege Teilnahme am ersten offiziellen Treffen in Horb. Foto
Harald Eigler und Hartmut Gerst (stehend) freuten sich über die rege Teilnahme am ersten offiziellen Treffen in Horb.

Horb. Am Samstagnachmittag wurde offiziell ein weiterer Treffpunkt der Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenhilfe (ABSH) gegründet.

Schon seit geraumer Zeit treffen sich die Mitglieder dieser besonderen Art von Selbsthilfegruppe zu formellen und informellen Treffen im Horber ′Gleis Süd′. Nun wurde dieses Treffen neben dem bisherigen Versammlungsraum im Tübinger ′Casino′ als zweite Location der Regionalgruppe ′Neckar-Alb′ etabliert.

Die Initiatoren um den Regionalvorsitzenden Hartmut Gerst aus Mössingen und Axel Weigel aus Empfingen hätten sich wirklich keinen besseren Tag aussuchen können für dieses erste offizielle Treffen als den 6. Juni. Denn dieser Tag ist in Deutschland der Tag der Sehbehinderten.

Gleich ob altersbedingte Makuladegeneration, diabetische Retinopathie oder Grüner Star: Die Zahl der sehbehinderten Menschen in unserer immer älter werdenden Gesellschaft wächst. Als sehbehindert gilt, wer mit Brille auf keinem Auge 30 Prozent der normalen Sehkraft erreicht. Wer unter fünf Prozent bleibt, ist hochgradig sehbehindert und wer unter zwei Prozent liegt, gilt als gesetzlich blind.

Gut 20 Personen mit eben diesen schweren Sehbehinderungen und Blindheit, aber auch mit angehender Sehschwäche und langjähriger Erfahrung, gesammelt in den Wartezimmern von Augenarztpraxen und Uni-Kliniken, trafen sich nun zum ersten Mal offiziell im Gleis Süd, um über ihre Erkrankung und ihr Schicksal zu sprechen. Sie möchten bei diesen Treffen Erfahrung, Kraft und Hoffnung teilen und die Menschen zusammenbringen.

Wären da nicht die gelben Buttons mit den drei schwarzen Punkten, der Blindenführhund oder die Langstöcke, mit denen die Blinden ′sehen′, bei einigen der Besucher dieses Treffens zu beobachten gewesen, man hätte als Unbeteiligter glauben können, man wäre in einen Zwischenaufenthalt einer fröhlichen Ausflugsrunde geraten. Doch schon die Vorstellungsrunde ließ erahnen, mit welchen Nöten, mit welch großen Einschränkungen diese Menschen umgehen müssen, um ihren Alltag einigermaßen selbstbestimmt bewältigen zu können.

Da erzählten ältere Menschen von ihrer schnell voranschreitenden Sehbehinderung, die irgendwann zur Erblindung führt oder eine junge blinde Frau von ihrer erfolgreichen Umschulung.

Von allen Ecken der Raumschaft Freudenstadt, Calw und Rottweil kamen die Gruppenmitglieder und selbst von der Regionalgruppe Stuttgart nahmen drei Personen die beschwerliche Reise nach Horb auf sich, um sich hier mit den Gruppenmitgliedern der Regionalgruppe ′Neckar-Alb′ solidarisch zu zeigen. Das Miteinander ist bei diesen Treffen mit einer der wichtigsten Faktoren, denn jedes Gruppenmitglied kann aus seinen Erfahrungen wesentliche Beiträge für seine Leidensgenossen leisten.

Mit bei diesem ersten offiziellen Treffen in Horb waren auch die sehende Vorsitzende des Landesverbandes Marita Bürmann-Eigler und ihr blinder Ehemann Harald Eigler.

Beide sind hauptamtlich beim Landesverband tätig. Harald Eigler ist Sozialarbeiter und sein Aufgabenschwerpunkt liegt neben der Organisation und Mitarbeiterschulung insbesondere im Bereich der sozialen und rechtlichen Beratung, der Begleitung, Betreuung und Vertretung der ABSH-Mitglieder.

In Horb gab er einen groben Abriss über seine Schwerpunkte, erklärte einige Fachbegriffe und so mancher Neuling, der den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt hatte, erfuhr mehr über seine Augenkrankheit als in den ganzen Marathonsitzungen in Klinik und Arztpraxen.

Eigler wusste gerade im Hinblick auf die Interessenten, die das erste Mal die Gruppe besuchten, dass der erste Schritt immer der schwerste ist.

′Es ist immer ein Outing – man muss den Mut haben, eine Schwelle zu überschreiten′, wusste er aus seiner Erfahrung heraus zu berichten. ′Aber es lohnt sich, einfach mal zu schauen, wie es andere machen′, so Eigler weiter, der wusste, ′hier wird nicht nur Blabla geschwätzt – hier sitzen die echten Fachleute, die die Krankheit am eigenen Leib erfahren haben. Und hier zähle ich als Mensch – nicht als der Blinde′.

Harald Eigler geht in seiner Fallberatung immer ganz gezielt auf die Belange der einzelnen Mitglieder ein. Er kommt zusammen mit seiner Frau auch bei Bedarf zu den Betroffenen nach Hause und erarbeitet mit ihnen ein individuelles Konzept, wie es in der Zukunft weitergehen soll. Dazu gehört, dass man Anträge für Hilfsmittel stellt, Umschulungen in die Wege leitet oder eine Bestätigung bekommt, dass man ein Mobilitätstraining für Blinde und Sehbehinderte machen kann. Und vieles mehr.

Blindheit oder eine Sehbehinderung sind keine Ausschlusskriterien vom ′normalen′ Leben. Die Mitglieder der Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenhilfe (ABSH) leben es täglich vor. So kam ein stark sehbehinderter Herr aus Isenburg zu Fuß zum Treffen – es ging ja immer den Berg runter – und eine blinde Dame aus Baiersbronn stellte pragmatisch fest: ′Durch Jammern und Klagen sieht man auch nicht besser.′

Weitere Informationen: www.abs-hilfe.de

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