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Dieser Artikel erschien am 10.12.2012 auf » der Homepage der Hochschule der Medien Stuttgart.

Homepage der Hochschule der Medien Stuttgart | 10. Dezember 2012


Mit Lesegerät zum Bachelor

Wie ist Studieren an einer Medienhochschule möglich, wenn man nur eingeschränkt, im manchem Fall überhaupt nichts sehen kann? Im zweiten Teil unserer Serie "Studieren mit Beeinträchtigung" haben wir mit einem Studierenden gesprochen, der seinen Studienalltag nahezu blind meistert.

Lisa Messer (Redaktion) und Matthias Nagel im Interview
Lisa Messer (Redaktion) und Matthias Nagel im Interview

Matthias Nagel (21) ist noch ein "Küken" an der HdM, er studiert im ersten Semester Medienwirtschaft. Seine Besonderheit: Aufgrund einer Netzhauterkrankung hat er von Geburt an ein sehr geringes Sehvermögen. Durch das eingeschränkte Sichtfeld erkennt er nur undeutliche Bildausschnitte, nachts sieht er so gut wie nichts. Nach dem Sozialgesetzbuch gilt Matthias als blind, wenn er auch noch einen Rest an Sehvermögen hat. An der HdM wie auch im Alltag orientiert er sich mit einem Blindenstock. Damit ist er einer von wenigen, deren Beeinträchtigung für Außenstehende auf den ersten Blick wahrgenommen wird.

Lernen durch Zuhören

Auf die Studienwahl hatte Matthias Beeinträchtigung nur geringfügig Einfluss. Er musste einen Studiengang wählen, bei dem er dennoch mit seiner Beeinträchtigung zurecht kommt, ein Architekturstudium wäre daher nie in Frage gekommen. Die Kombination aus den Bereichen Wirtschaft und Medien interessierte ihn und bislang ist er sehr zufrieden mit seiner Wahl, an die HdM gekommen zu sein. Herausforderungen ergeben sich immer wieder, aber diesen stellt sich Matthias erfolgreich: "Anfangs war es schwierig, überhaupt die Räume zu finden. Mittlerweile weiß ich aber, wo ich hin muss." Seine Kommilitonen sind ihm gegenüber meist hilfsbereit und unterstützen ihn oder helfen ihm. So fand er sich nach und nach an der HdM immer besser zurecht, kann sich orientieren, weiß, in welchem Stockwerk oder Gebäudeflügel er gerade ist. In den Lehrveranstaltungen und Seminaren lernt er vor allem durch konzentriertes und aktives Zuhören. Sobald er etwas nicht versteht, fragt er nach und beteiligt sich rege an Diskussionen.

"Die psychische Belastung ist größer"

Im Interview erzählt Matthias von seinen Erfahrungen vor der HdM: Das Gymnasium musste er wegen Mobbing-Attacken aufgrund seiner Behinderung verlassen, denn das hat er nicht ausgehalten. Nach seiner mittleren Reife und einem Abschluss im kaufmännischen Bereich, qualifizierte er sich über das Berufskolleg für ein Studium. An der HdM empfindet er seine körperliche Einschränkung mittlerweile als weniger belastend als die psychische, da es ausreichend unterstützende Hilfsmittel gibt. Ein mobiles Lesegerät ermöglicht ihm das Lesen von Texten und so ist er auf Blindenschrift nicht angewiesen. Am PC arbeitet er ausschließlich mit der Tastatur und nicht mit der Maus, da ihm diese nichts nützen würde. Glücklich ist er auch darüber, dass er in seinem Studiengang wenig visuelle Inhalte, sondern eher strategische oder konzeptionelle Inhalte zu bewältigen hat.

Erleichterung in Prüfungen und bald ein Lesegerät

Ganz einfach ist es für ihn dennoch nicht. Trotzdem: An der HdM hat er bislang vorwiegend positive Erfahrungen gemacht, denn die Dozenten und Kommilitonen unterstützen ihn sehr gut. In Prüfungen und Klausuren werden ihm 50% mehr Zeit zum Lesen der Aufgaben eingeräumt, denn das bringt oft die entscheidenden Minuten, um sein Defizit gegenüber den Mitstudenten auszugleichen. Eine Studienassistenz, also eine für ihn zur Verfügung stehende Unterstützungsperson, hat er bisher noch nicht und es wird sich zeigen, ob er diese überhaupt möchte. Die Hochschule schafft zudem für ihn und seine Leidensgenossen ein stationäres Lesegerät an, das dann in der Bibliothek stehen wird und eine weitere Unterstützung in der Text- und soweit möglich Bildrezeption, bei seinen Studienrecherchen sein wird.

Lisa Messer, Franco Rota, Carolin Stäblein | Quelle: hdm-stuttgart.de

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