Folgender Artikel erschien am 25.07.2016 bei
suedwestpresse.de | 25. Juli 2016
„Das Münster mit den Fingern sehen“
40 blinde Menschen und nochmal so viele Begleiter sind zu einer Stadtführung für blinde und sehbehinderte Menschen nach Ulm gekommen.
RUDOLF KÜBLER | 25.07.2016
Die Stadtführung für Blinde beginnt am Tastmodell Foto Oliver Schulz
Ist das jetzt politisch korrekt? Diese Frage stellt sich nicht. Eigler kann sich diesen Witz erlauben, die beiden kennen sich lange, sie eint eines: Sie sind blind. Und noch ein zweites: Sie können über sich lachen. Überhaupt: Es wird viel gelacht an diesem Samstagmorgen, aber nicht nur. Eigler, der in der Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenhilfe aktiv ist, hatte Dorow für die Stadtführung gewinnen können - und dieser, nicht faul, machte sich auf den Weg. Mit rund 40 Blinden und eben so vielen Begleitern, „denn ohne letztere geht es nicht “, sagt Eigler, der sich von seiner Frau begleiten lässt: „Ich bin der Kopf“, sagt er und lacht schon wieder, „sie ist der . . .“ Okay, an dieser Stelle brechen wir das Zitat ab. Eigler muss ja abends auch irgendwie heimkommen - am besten mit seiner Frau.
Lassen wir also Dorow reden. Der Ulmer kennt sich natürlich aus in der Stadtgeschichte, solche Führungen bietet er im Rahmen des Ulm/Neu-Ulm Tourismus immer sommers an. Aber die Größe der Gruppe ist schon gewaltig. Die einen sind von Karlsruhe, Mannheim und Freiburg gekommen, die anderen von der Alb raa, für alle aber geht es darum: Sehenswürdigkeiten kann man nicht nur sehen, sagt Dorow, „man kann sie begreifen“. Beispielsweise den Fischkasten, das Schiefe Haus, den Saumarkt oder natürlich den Duft- und Tastgarten.
Letzteres ist einfach, da wird getastet und gerochen. Aber den Metzgerturm zu erklären, ist etwas diffiziler. „Der Metzgerturm war lange Zeit der zweitschiefste Turm nach dem schiefen Turm von Pisa“. Aaaah, ein Raunen geht durch die Gruppe, die weiter und weiter geht - in Richtung Mittagessen.